Segeltörn zwischen 69. und 71. Breitengrad Nord – für einen Urlaubstörn eher seltene Koordinaten:Wir starten in Tromsö, das liegt 300 km oberhalb des nördlichen Polarkreises, auf gleicher Höhe wie Wainwright in Alaska, Uuhrmannaq in Grönland oder Kjusjur in Nordsibirien, und wollen von dort rund 500 km weiter gen Norden segeln. Erklärtes Törnziel: das Nordkap.
Erste Hürde bei der Planung ist ein passendes Boot, denn die großen Charterbasen sind alle in Südnorwegen. Nördlich des Polarkreises, (Lofoten, Vesteralen) hat man sich auf Angelboote spezialisiert. Bei Yachtcharter-Connection werden wir fündig: Wir buchen für uns Vier eine Gib Sea 37. Basisleiter Ivar organisiert auf Wunsch noch zwei Vorab-Nächte in einem netten Hotel für uns, holt uns am Flughafen ab, hilft beim Gepäck Transport, macht auf dem Weg zum Hotel noch eine kleine Stadtrundfahrt für uns, nimmt sich am Abend Zeit, uns an Hand von Karten Revierinformationen zu geben, und spielt zwei Tage später nochmal Chauffeur vom Hotel zum Boot. Der erste Eindruck ist entsprechend positiv und verstärkt sich weiter, als wir an Bord unserer, in jeder Hinsicht gut ausgerüsteten, OCEANE gehen. (8 Jahre alt aber sehr guter Zustand, wohnliche Details, ordentliches Werkzeug, Verbandskasten und Medikamente, reichlich Karten-Material und Kochgeschirr, Erstausrüstung vom Gewürz bis zum Toiletten-Papier) Doch die ersten beiden Tage verbringen wir vorab im Hotel und haben Glück, Tromsö bei blauen Himmel und sommerlichen 14 Grad kennen zu lernen.
Zum Pflichtprogramm gehört natürlich der Gang über die Verbindungsbrücke zum Festland mit Besichtigung der Eismeerkathedrale, eine Fahrt mit der Seilbahn auf den Fjelshusen, den Hausberg Tromsös, wo wir einen super Rundblick genießen, ein Bummel über den Markt und durch die kleinen Gassen mit ihren bunten Häusern, sowie ein Spaziergang am Kai entlang zum Polar- Museum, auf dessen Rückweg wir bei der nördlichsten Brauerei der Welt eine Mack-Biersorten Verkostung vornehmen. Tromsö hat mehrere Häfen, die Charter-Basis liegt westlich der Inselstadt in Eidkjosen. (praktischerweise ist 300m entfernt ein großes Einkaufszentrum).
Wir starten unseren Törn gen Norden, unterqueren die Verbindungsbrücke nach Kvaloysletta und haben auch heute herrliches Sommerwetter, das heißt, wir sitzen im Ölzeug mit geschlossenen Kragen bei 14 Grad an Deck und freuen uns über klaren Himmel und gute Sichtverhältnisse. Sommer in Nordnorwegen, das kann man sich am besten vorstellen, wenn man etwa. jeweils den Tag der Eisernen – Dezemberregatta am Bodensee der letzten 14 Jahre aneinander reiht. Im Durchschnitt 8-14°C, mittags für 3 Stunden an windgeschützten Stellen auch mal 20-24 Grad. Schnell wechselndes Wetter mit Nebelfeldern oder Starkwind und eiskalten Regenschauern, die auch Schneeflocken mitbringen können, und unterm Kiel permanente 8 Grad. Auffallend anders sind die Nächte, die eigentlich gar keine sind, denn die Sonne geht zum Beispiel am 1. August um 2.49 Uhr auf und erst um 22.51 Uhr unter, das verschiebt sich tgl. um 6 Minuten, dazwischen liegt nur eine Dämmerungsphase. Rosa Wölkchenromantik ersetzt hier das Nachtschlagfeeling! Redewendungen erhalten einen neuen Sinn, wer hier verspricht zurück zu kommen, wenn es dunkel wird, kommt unter Umständen. gegen Mitternacht oder gar erst Monate später wieder!
Wir sind enthusiastisch und schrubben auf unserem Weg gen Norden gleich am ersten Tag 52 sm weg, leider alles unter Motor, denn windtechnisch geht gar nix. Zwischen Grottsundet und Ullsfjorden begegnen wir den ersten Papageitauchern und amüsieren uns über ihre flinken Tauchgänge. Vor dem Hintergrund der Gebirgskette um den Gammvik -blaisen schießen wir traumhafte Fotos, während uns Schweinswale umkreisen. In Skervoy, einem Fischerhafen mit Fischfabrik, 3 Schwimmstegen und 5 Gästeplätzen verbringen wir (für 6€ Liegegebühr) die erste Nacht. Es gibt ein Clubhaus, das Duschen und sogar eine Waschmaschine mit Trockner bietet. Mit Tankstelle, Supermarkt und Schnellimbiss ein guter Platz, zum Beispiel für Anne und Paul aus Canada, die mit ihrer Yacht gerade aus Spitzbergen kommen und hier „nachladen“; ansonsten ein nicht unbedingt sehenswerter Ort. Unser zweiter Urlaubstag beschert uns Nebel, Dauerregen, heftigen Nordwind und ein aufgewühltes Wellenmeer. Nach 13sm verkriechen wir uns in Seglvik auf der Halbinsel Stoltind.
Im Minihafen, der eigentlich nur private Fischerstege und zwei Bojen für Besucher hat, wollen wir kurz abwettern, doch zwei Einwohner durchkreuzen unsere Pläne. Sie turnen neugierig um die Yacht, die der heftige Nordwind hier rein getrieben ha,t und der Abend endet mit interkulturellen Gesprächen bei Bier und Rotwein in ihrem Häuschen hinter der Mole. Am nächsten Morgen legen wir dafür schon um sechs Uhr ab. Flaute. Später können wir Segel setzen; 3 Stunden auf 28 Grad durch den Leisund, dann unter Motor auf 142 Grad durch den Sandlandsfjord außer zwei Fischkuttern und einer Inselfähre sind wir auch am Nachmittag die Einzigen die sich am Panorama des Bergsfjorden und des Stjernsundet erfreuen. Statt dem sonst üblichen Badestopp gibt es eine Kaffee- und Angelpause. Angel rein- Fisch raus, so funktioniert das in Norwegen, auch für völlig Unerfahrene. In einer halben Stunde genügend Fischvorrat für drei Mahlzeiten! Am späten Abend laufen wir auf Vorwindkurs mit 7kn durch den Altafjord gen Alta. Da auch für die nächsten drei Tage 7-8 Beaufort aus Nord- Nordost gemeldet sind, was für uns ein Gegenankreuzen auf rund 160 sm bis zum Nordkap, und demzufolge hin- und zurück 4-5 Urlaubstage bedeuten würde, beschließen wir „Plan B“ in die Tat umzusetzen. Wir organisieren uns einen Mietwagen und folgen der E 6, bis zum Nordkap, one way 240 km Landweg. Eine Superidee, wie sich im Nachhinein herausstellt, denn im Alta Revier regnet es fast den ganzen Tag, während wir schönstes Wetter haben und gleichzeitig ein Stück Inland sehen. Die E 6 ist eine kurvenreiche Landstraße die sich ufernah um die Fjorde schlängelt oder langen Flussläufen folgt.
Das Spannendste an ihr sind aber die Rentiere der Gegend, die sie als Wanderpfad nutzen. Sie tauchen urplötzlich aus dem Gebüsch oder hinter einer Kurve auf, stehen mitten auf der Straße oder traben ein Stück neben dem Auto her. Durch den Nordkaptunnel erreichen wir Mageroya (magere Insel) und machen dort zunächst einen kurzen Stopp in Honningsvaeg, wo gerade ein Hurtigrutenschiff am Pier liegt und massenweise Passagiere ausspuckt. Sie werden von hier per Bus zu Europas berühmtesten Aussichtsfelsen transportiert. Wir steigen wieder ins Auto, um vor der Touri – Invasion da zu sein. Vierzig Kilometer und unzählige Serpentinen später, mitten auf dem Hochplateau ein Schlagbaum. Räuberische 29 € (pro Kopf!) kostet der Zugang zu den Nordkaphallen und zur Aussichtsplattform mit dem stilisierten Metallglobus, den man willkürlich zum nördlichsten Punkt Europas gemacht hat. Was viele nicht wissen, der geografisch exakte Fleck ist 1380m weiter nördlich auf der Landzunge Knivskjellodden bei 71°11‘8‘‘N und 025°40‘30‘‘ E. Das Glück ist mit uns, bei zugigen 6 Grad genießen wir einen traumhaft klaren Rundblick, den es hier nur wenige Tage im Jahr gibt. Auf die Mitternachts–Sonnenshow am Horizont warten wir aber nicht, sondern beschließen auf der Rückfahrt noch einen Abstecher nach Hammerfest zu machen und den Ort mit „abzuhaken“. Die 140km sind noch drin, es ist ja lange hell und dann passen wir unsere geplante Route eben an. Gesagt getan, es geht über die Kvalsundbrücke und dann südwestlich am Ufer entlang bis Hammerfest.
Hier geht die Sonne vom 13.Mai –28.Juli nicht unter, dafür ist vom 20.11. – 21.1. totale Winternacht. Schon 1891 bekam Hammerfest deshalb als eine der ersten Städte elektrische Straßenbeleuchtung. Für die Expeditionen des Fridtjof Nansen mit seiner „Fram“ war Hammerfest Starthafen und im 2. Weltkrieg wurde es erst von deutschen Truppen als nördlichster Brückenkopf benutzt und dann, beim Rückzug wie viele andere Orte auch, zerstört. Heute säumen quadratische Nachkriegsbauten die Haupt- und Einkaufsstraße, die zur hübschen Kirche führt. Bis in die 90ziger Jahre galt Hammerfest als nördlichste Stadt der Welt, dank moderner Energien und Versorgungsmöglichkeiten wurden jedoch inzwischen nördlichere Städte erbaut. Für Segler ist Hammerfest immer noch ein guter Versorgungsort, die von weitem sichtbare Erdgasverflüssigungsanlage auf der Insel Melkoya ein guter Ansteuerungspunkt.
Inzwischen ist es 21 Uhr und die untergehende Sonne (heute für rund 2 Stunden) färbt die Stadt und die vorgelagerten Inseln märchenhaft rot- gold ein. Wir haben heute so viel aufgenommen, und würden gern hier bei einem Gläschen Wein ein bisschen sitzen und verweilen, doch wir haben noch 180 km Rückweg um die Fjorde bis zum Schiff, weshalb wir uns losreißen. Ziemlich geschafft sitzen wir gegen 23 Uhr wieder im Cockpit. Wein gibt`s keinen, doch wir sind uns einig, dass der Landausflug (insgesamt 640km) die absolut richtige Entscheidung war. Die Seemeilen gegenan hätten einfach zu viel Zeit gekostet. Das Abendrot steht noch immer am Himmel und wir sinnieren vor uns hin und suchen Vergleiche zu anderen Törns: zum überlaufenen Italien, wo man ab 14 Uhr kaum noch Liegeplätze bekommt, zu Thailand wo wir bei steten 34° schwitzen oder nochmal ins Wasser springen würden, oder zu Kroatien mit seinen Wucherpreisen. Was wir da für 2 Tage in einer Marina bezahlt hätten, dafür gab es hier den Mietwagen inklusive Sprit. In Alta kostet die Übernachtung mit Strom und Wasser 12.50€, Dusche 2.00€ und im Clubhaus hat man sogar die Möglichkeit sich aufzuhalten und die Küche mit zu benutzen.
Ach ja, und mit ein bisschen Übung ist norwegisch einfacher als kroatisch oder griechisch, es liest sich wie deutsch mit vielen Fehlern oder wie geschriebener Dialekt: so heißt god dag – guten Tag, eine bekreftelse for overnatting- ist eine Bestätigung für die Übernachtung, die bensinstatione findet jeder und was vorbidden ist, das sollte man auch nicht machen! Und die Gegend das Feeling der Einsamkeit und die Natur? Norwegen kann man nicht vergleichen, man muss es erleben! Mit der Landtour ist unser nördlichstes Ziel abgehakt, Alta selbst erkunden wir noch kurz bevor wir den Mietwagen zurückgeben. Die Stadt dehnt sich entlang der Küste weit auseinander, das eigentliche Zentrum liegt landeinwärts etwa 7km vom Hafen entfernt. Moderner Wohnungsbau der Siebziger mit Marktplatz, Einkaufszentrum & Co., auf der grünen Wiese bedarfsgerecht konzipiert. Erwähnenswert der Krankenhauskomplex, der die ganze Gegend hier versorgt. Leinen los; zurück durch den Altafjord und den Stjernsundet besichtigen wir nun den Oksfjord und übernachten im gleichnamigen Hafen. Fischzuchtanlagen, tolles Bergpanorama mit Blick auf die Gletscher, mal in Wolken gehüllt, mal in der Sonne glänzend. Hier und da ein Anglerkahn, mare TV in einer Endlosschleife auch auf dem Weg nach Hasvik.
In Hasvik auf Soroya gibt es einen kleinen Flughafen, dessen Ansteuerung mit der Ansteuerung der Hafeneinfahrt übereinstimmt und sozusagen direkt hinter dem Fähranleger setzen die Flieger auf. Obwohl Samstag ist, bekommen wir bei der Fischfabrik problemlos Diesel und dürfen sogar die Hallen mit dem gefriergetrockneten Fisch besichtigen, der fast ausschließlich für den Export nach Afrika geplant ist. Am Abend kommen wir am Steg mit Litauern ins Gespräch, wir tauschen drei Bier gegen 4 große Fische und sichern damit unsere Mahlzeiten für weitere 2 Tage. Einfach essen zu gehen ist in Nordnorwegen auf den Inseln nicht möglich. Es gibt keine Restaurants. Wozu auch? Außer uns und Einheimischen oder litauischen Fischern ist niemand unterwegs. In Hasvik, das mit 1000 Einwohnern als „größerer Ort“ gilt, gibt es ein Hotel mit angegliederten Cafe, das tgl. von 12- 14 Uhr öffnet, und eine Hotelbar die laut Aushang immer Samstags von 18- 23 Uhr zum Tanz einlädt, eine Gesamtschule, eine Kirche, ein Supermarkt, eine Touristinfo, die nur während des Fischfestivals öffnet und einen Industriewarenladen, der mit den Öffnungszeiten – immer Dienstags von 17- 19 Uhr, offensichtlich den Bedarf deckt.
Die Vegetation hat nur noch Sträucher zu bieten, wegen des rauhen Klimas lohnt es nicht, Vorgärten zu kultivieren, Blumen- oder gar Gemüsebeete haben Seltenheitswert. Jetzt im Hochsommer prägen saftige Wiesen mit niederem Gestrüpp das Bild. Farne und Flechten überziehen wie ein weicher Hochflorteppich die felsig zerklüftete Landschaft, doch Vorsicht Spaziergänge querfeldein werden dadurch schnell zur Fußfalle. Schafe oder Rentiere grasen friedlich im Gelände. An Häusern, Schuppen und Autos stehen die Türen offen, Fahrräder sind unabgeschlossen, man kennt sich. In der Inselwelt Nordnorwegens gehen die Uhren anders! Die wenigen Straßen sind menschenleer, Mittelpunkt der Örtchen sind, der Minimarkt, der Hafen oder die Fischfabrik und wenn vorhanden der Fähranleger. Bewegung kommt erst auf, wenn eine Fähre oder ein voller Fischkutter einläuft. Dann finden sich ein paar Männer ein, die den Fang bergen, Ladekräne und Gabelstapler bedienen, und den Fisch für die Weiterverarbeitung vorbereiten.
Hasvik hat auch einen schönen langen Sandstrand zu bieten, und da das Thermometer am Samstag im Windschatten auf 23 Grad klettert, verschieben wir unsere Abfahrt ein wenig, machen einen Strandbummel und wagen es unsere Füße ins Wasser halten. Das Kneipp- Bad bei 8 Grad dauert keine 5 Minuten, lockt aber gleich ein paar einheimische Zuschauer an, denen wir vermutlich Gesprächsstoff für die nächsten langen Winternächte liefern. Wir laufen erst 17 Uhr aus, 18 Uhr zieht es schlagartig zu! Nach 18sm mit 6 Bft., querdurchrollenden Wellen und Spritzwaser von allen Seiten finden wir weder die Papageitaucher noch die hier häufig auftauchenden Schweinswale lustig und beschließen in Mevaret auf Loppa zu übernachten. 3.50m Tide, hat es hier, weshalb wir statt der festen Stege lieber eine der Bojen nehmen. Zum Glück beißen die Fische auch 22.30 Uhr noch in Sekundenschnelle an unsere Angel, ganz wild darauf uns zum Abendessen zur Verfügung zu stehen.
Am nächsten Morgen segeln wir mit achterlichem Wind gen Süd um als nächstes Highlight im Jokelfjord den einzigen ins Meer kalbenden europäischen Festlandgletscher, den Aksovuonjiehkki, zu besichtigen. Der riesige Gletscher, den wir schon vom Oksfjord aus gesehen haben ist zunächst von Wolken umhüllt, dann beginnt ein Naturschauspiel wie es ein Regisseur nicht besser hätte planen können. Ganz langsam hebt sich der Nebelvorhang bis auch die obere Kante sichtbar wird und für die Farbe im Bild kommt noch ein bisschen blauer Himmel zum Vorschein. Sekundenlang wird die in unserem Rücken stehende Sonne zum Scheinwerfer der Szenerie und gleich darauf ist alles wieder in den Wolken verschwunden. Diese Inszenierung ist uns mehrere Fotos und einen Manöverschluck wert!
Mit Letzteren muss man in Nordnorwegen übrigens sparsam umgehen, Nachschub generell sorgfältig planen. Wein und Bier gibt es nur in Spezialläden, den Vinmonopolen, die Sonderöffnungszeiten haben (meist 11-15 Uhr) und für Yachties unerreichbar irgendwo im Landesinneren versteckt sind. Bier wird in den Minimärkten nur bis 16 Uhr, in Städten bis 18 Uhr verkauft. (1 Bier kostet im Laden ca.4 €, 1 Glas 0,6l im Restaurant 8-10 €, 1 Schachtel Zigaretten 12€!) Insgesamt sind die Preise bei Lebensmitteln 50-70 Prozent höher als in Deutschland. Das Gemüseangebot ist dürftig, frische Backwaren sind selten, dafür gibt es viele verschiedene Sorten Mehlmischungen zum do it yourself. Wurst ist folienverpackt, Fleisch (meist Hammel) und Fisch gibt es nur aus der Gefriertruhe. Auffallend reichlich ist das Käseangebot, die Produkte allerdings häufig auch aus Schaf – oder Ziegenmilch.
Als norwegische Käsespezialität gilt der Brunost, er ist braun und wird aus karamellisierter Molke hergestellt. Im Geschmack entspricht er eher einer fettigen Süßspeise denn einem Käse. Als speziell norwegische Frucht hört man überall von Moltebeeren (auch als Schellbeere bekannt) die hauptsächlich in der Finnmark wachsen und entsprechend der Jahreszeit eigentlich reif sein müssten. Doch in den Läden und Obstregalen suchen wir vergebens, nur als Marmelade gibt es sie, 250gr. für 8 €! Die Beere gilt als Wahrzeichen Lapplands und wurde in Finnland auf dem 2 €- Stück verewigt.
Obwohl es von Fischern und Anglern rundum wimmelt, vermissen wir das Frischfischangebot, doch die Einheimischen versorgen sich selber weshalb es in Ermangelung von Kundschaft, natürlich auch nirgends Fischmärkte gibt. Wir sind dank guter Törnvorbereitung auch weitgehend auf Selbstversorgung eingestellt. Heute gibt es selbstgebackenes Brot mit einer großen Schüssel Fischsalat in Mango- Currycreme und Schokoladenpudding. An unserer Übernachtungsboje im Jockelfjord schwojend, ein passendes Menü.
Anderntags zurück durch den Jockelfjord umrunden wir Spildra südlich, kämpfen uns im Haukoysundet ein Stück gegen den Tidenstrom vorwärts, der dann umschlägt und uns bis zum Abend durch den Maursundet und Rotsundet nach Hamnest trägt, wo wir nach 38sm bei Hägar und seiner Frau am Steg übernachten. Die beiden Allrounder sprechen mehrere Sprachen, lebten schon in Italien, Deutschland und den USA, und sind ganz bewusst hierher zurückgekehrt um abseits von Alltagsstress, Verkehrsstaus und anderen Problemen ihre Kinder in der Natur zu erziehen.
Sie betreiben hier einen kleinen Laden mit Poststelle, vermieten Ferienwohnungen und Angelboote und können als Führer für Berg– oder Skitouren gebucht werden. Außerdem kümmern sie sich um den stets freien Zugang zur Fähre die hier von der E 6 herüber kommt und mit der ihre Insel Uloya versorgt wird. Quasi quer vorm Rotsundet in Nord- Südrichtung liegt der Lyngenfjord. In Anlehnung an unser Alpengebirge wird die Region auch Lyngenalpen genannt. Die Berge die den Fjord westlich begrenzen sind bis 1600m hoch und auch im Sommer schneebedeckt.
Bei strahlendem Sonnenschein, blauen Himmel und Nordwind rauschen wir Vorwind entlang des herrlichen Panora-mas 7sm den Fjord hinab. Insgesamt ist er rund 80 km lang – 14 km länger als der Bodensee! Da wir auch an den Rückweg denken müssen, nehmen wir die Insel Aroya als Wendemarke, umrunden sie und gönnen uns noch eine kleine Rast in einer Bucht an der Nordwestseite. Hier finden wir zufällig auch ein paar Moltebeeren die wir für`s Archiv sofort fotografieren. Hart auf der Kante kreuzen wir dann zurück. Bei der steifen Brise brauchen wir Handschuhe und Mützen, aber entlang der glitzernden Berge ein herrlicher Segeltag. In Djupvik, einem kleinen Hafen am östlichen Ufer machen wir fest. Einem Vorschlag unseres Vercharterers folgend haben wir uns zu einem weiteren Landausflug entschlossen. Die E 6 führt durch den Ort und Ivar holt uns persönlich am nächsten Morgen ab. Er spielt den Guide ins Naturschutzgebiet Reisatal und zu den Wasserfällen, organisiert Flusskähne und ein Picknick am Lagerfeuer.
Während wir der Reisa durch üppig grüne Täler mit dunklen Felswänden und Wasserfällen, über Kurven und Stromschnellen Richtung Quelle folgen, erzählt er ein wenig von Land und Leuten. So erfahren wir auch, dass man schon ab Februar in Norwegen segelt und sein neuestes Angebot „sailing and skiing“ immer mehr Buchungsnachfragen hat. Über Skihänge und Gletscher bis zum Boot, „solche Art Abenteuer kann man hier bis in den späten Mai ausleben, wenn man die richtige Outdoorkleidung hat“, berichtet Ivar, sowie, dass zu seinen Kunden hauptsächlich Franzosen und Italiener zählen. Sollen sie doch! Wir sind auch aus Enthusiasmus hier und echt begeistert von der Gegend, aber uns reicht das Sommerwetter mit seinen steten 12 – 14°C aus (nachts 4-6°.)
Arviksand und der tote Wal
Der nächste Segelschlag, d.h. 15 sm unter Segel + 15sm unter Motor, wir folgen der 350° Linie und erreichen am Abend Arviksand auf Arnoya. Unterwegs eine eher unansehnliche Abwechslung. Ein ca. 15m langer, treibender, toter Wal, dessen dicke, weiße verwesende Fleischschicht fürchterlich stinkt und den wir aus der Ferne für ein Stück Gletschereis hielten. Außerdem am Nachmittag ein Zollboot, das vermutlich zwecks Kontrolle auf einen Fischkutter zuhält und längsseits geht, sowie am Horizont das zweite Segelboot, dem wir diese Woche begegnen. Vor Arviksand ein paar Untiefen, um den Hafen eine hohe Steinmole die guten Schutz vor Nordwind und Wellen bietet, innen drei neue Schwimmstege und wie überall viel Platz zum Anlegen. Der Ort: eine Poststation, ein Minimarkt, ein Steinbruch, der Baumaterial für die umliegenden Häfen und Inseln liefert und eine Fischfabrik, bei der wir mit zwei Flaschen Bier zwei Arbeiter erfreuen und dafür alle Wassertanks füllen. Hier gibt es sogar eigene Postkarten, Motiv Fischfabrik mit Bergpanorama im Morgenrot!
Zeit für ein bisschen Unterwasserwelt. Die dank Golfstrom gleichbleibende Wassertemperatur von 6-8 Grad, scheint für Wasserpflanzen ideal zu sein, selbst neue Bojen und Leinen sind dicht bewachsen, Miesmuschelkolonien unter jedem Steg zu finden. Weiße und orangefarbene Seeanemonen leuchten zwischen zahlreichen Herzmuscheln und dicken Seesternen vom Grund herauf. Fünf verschiedene Quallensorten von 3- 40cm Größe sind auszumachen und schwimmen in dichten Feldern am Boot vorbei. Da inzwischen Freitag ist und wir Montag das Boot zurückgeben müssen, ist nun Zeit, die Routenwahl wieder gen Tromsö zu richten. Bei Halbwind machen wir zunächst einen schönen Segelschlag nach Westen, um am Südkap von Fugloya, der Vogelinsel, nach den hier beheimateten Rauhfussbussard oder Gerfalken Ausschau zu halten. Doch die steilen Felswände sind verwaist, statt Möwengeschrei imposante UFO- ähnliche Wolkenformationen über der etwas westlich gelegenen Nachbarinsel Vannoya. Vielleicht sind sie der Grund für die Stille. Selbst die Papageitaucher die sonst immer rund um unsere Yacht ihr Spiel treiben tauchen erst wieder auf, als wir schon ein paar Seemeilen entlang Vannoya’s Ostküste schippern.
Eine Nacht im Bojenfeld von Vannvag und am anderen Morgen queren wir den 70. Breitengrad im Vannsundet um durch den Langsundet nach Tromsö zurück zu kehren. Die imaginäre Linie wird zur Wetterscheide, ab hier Dauerregen bis zum Ausgangshafen und jetzt, wo wir den Nordost gebrauchen könnten, bläst es aus Südwest, so dass wir inklusive dem gegenläufigen Gezeitenstrom kaum vorwärts kommen. Dort wo Sunde und Fjorde zusammenfließen ist das Wasser besonders kabbelig, ganze Möwenfelder markieren die Oberfläche und die Fischer behaupten, das seien die besten Angelplätze. Wir angeln nicht mehr, haben genug von den beißwütigen Fischen und den Folgearbeiten in der Bordküche. Da die Sicht inzwischen sehr eingeschränkt ist, machen wir noch einen Aufwärmstopp in Hansnes. Das Örtchen hat eine freie Hafentankstelle, die jedoch, weil auch von der Straße aus zugänglich, 50 Prozent teurer ist als eine reine Bootstankstelle. In 1,5 km Entfernung vom Hafen gibt es einen gut bestückten Supermarkt, zum Proviantfassen geeignet, doch wir sind dabei, unsere Schapps zu leeren, richten uns Grog und heiße Schokolade und ziehen weiter.
Mit dem einsetzenden Tidenfall haben wir nun die Strömung mit uns. Bei kräftiger Welle in kompletter Montur mit Rettungsweste, Lifebelt und Handtuch im Kragen „genießen“ wir unseren letzten Törntag im Langsundet. Gegen 19 Uhr laufen wir in den Grottsundet ein und haben außer dem GefühI der klammen Finger auch das Gefühl, wieder unter Menschen zu sein. Mehrere Fischkutter kommen aus Nord und schlagen den gleichen Kurs Richtung Tromsö ein, von wo uns zwei Kreuzfahrtschiffe entgegenkommen. Elf Schiffe im Umkreis, was für Verkehr! In Skattoera, einem Hafen am Nordostufer Tromsoyas, den wir auch zwecks Auftanken wählten, verbringen wir heftig schaukelnd die vorletzte Nacht an Bord. Die Temperatur fällt auf 2° und schafft es am anderen Tag gerade so auf 6°. Vor lauter Regenwolken wird es gar nicht richtig hell. Festlandbrücke Tromsö voraus! Trotz klammer Finger am Foto-Apparat gibt es noch ein paar Brückenfotos, mit Eismeerkathedrale. Wie zum Fotoshooting bestellt legt ein Hurtigrutenschiff am Stadtkai von Tromsö ab. Während die Schiffssirene ertönt und die Passagiere mit hochgeschlagenem Kragen an der Reling stehen und winken, gilt es aufzupassen, dass wir ja kein Seezeichen übersehen.
Wir umrunden Tromsoya südlich und biegen dann in den Balsfjord ein. Deutlich ist zu sehen wie aus den dunklen Wolken auf den Gipfeln rundherum der erste Schnee fällt. Mitten im Wettermix ein Sonnenloch dass uns an diesem nicht ganz typischen norwegischen Sommertag zum Abschied noch einen Regenbogen über die Brücke des Sandnessundt zaubert. Ein geniales „Panorama -Schlussbild“ bevor wir unseren Ausgangshafen Eidkjosen erreichen. Mit dem Bordbucheintrag „Leinen fest – 69°40‘5‘‘ N; 018°45‘0‘‘ E; Gesamtmeilen 401 unter Segel 258 “ ist unser Urlaubstörn 2010 damit unwiderruflich zu Ende.
Kerstin Hahn
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